Weltmacht
Google
Interview
mit
Google-Chef Eric Schmidt Teil 1
"Lieber
klare
Niederlage, als schwammiger Sieg"
Die
Suchmaschine
Google wird immer mächtiger - ein Besuch bei den selbst
ernannten Weltverbesserern. Im stern-Interview
spricht
Firmenchef Eric Schmidt über die Google-Gründer, die
Kunst des Streitens und die Grenzen des Wachstums.

Mr.
Schmidt, vor sechs Jahren haben sie die Google-Gründer Sergey
Brin und
Larry Page erstmals getroffen. Wie lief Ihr Bewerbungsgespräch?
Ich
komme in einen kleinen Raum, in dem sie meinen Lebenslauf an die
Wand projiziert haben. Es gibt Essen aus dem Café, und der
Raum ist
eine einzige Katastrophe, Kaffee auf dem Boden, Essensreste,
Müll. Wir
haben angefangen zu diskutieren und zu streiten, das ging bis zum Ende
des Gesprächs so weiter. "Das ist schon in Ordnung", habe ich
gesagt.
"Zeit zu gehen", habe ich gedacht. Für mich war es das
unterhaltsamste
Gespräch seit langem. Das Interessante daran ist: Ich
ließ mir später
die Argumente der beiden noch einmal durch den Kopf gehen und merkte,
dass Sergey und Larry mit allem, was sie sagten, Recht hatten. Ich
hatte Unrecht. Das Demütigende daran ist: Das sind
27-jährige Kinder.
Ist schon interessant, wenn man sich das vor Augen führt.
Streiten
Sie sich immer noch häufig mit Brin und Page?
Wir
streiten überhaupt nicht oft, weil wir eigentlich wissen, was
dem
anderen wichtig ist. Über China gab es allerdings
häufig
Streitgespräche. Es war überhaupt nicht klar, was wir
in diesem Fall
machen sollten.
Wie
ticken die Google-Guys denn so?
Sie
denken wirklich unkonventionell, und sie hinterfragen jede Annahme.
Eine Weißwandtafel ist weiß, und weiß ist
die beste Farbe für das
Zimmer. Daraufhin sagen sie: "Woher willst du das wissen?" Und ich
meinte nur, das sei doch völlig egal. Ihr Gehirn tickt einfach
anders.
Wir ergänzen uns optimal. Die Art und Weise alles zu
hinterfragen, ist
belebend und erfrischend für intelligente Menschen. Stelle
ruhig
unangenehme Fragen! Das ist ihr Motto. Die Firmenkultur eines
High-Tech-Unternehmens, das so schnell wächst, braucht sehr
entschlossene Menschen mit Stärke und Leidenschaft.
Ihr
Unternehmen wächst sehr stark. Ist es ein Unterschied, ein
kleines oder ein großes Unternehmen zu führen?
Es
ist
das Gleiche, nur größer. Unserer Meinung nach kann
man ein
erstklassiges Unternehmen nur aufbauen, wenn viele Menschen
unterschiedliche Ziele verfolgen. Und dann verbringen wir sehr viel
Zeit damit, uns ihre Arbeit anzusehen. Ein Beispiel: Morgen
prüfen wir
von 12.00 Uhr bis 16.00 Uhr vier wichtige Bereiche, jeweils eine Stunde
lang. Das Ganze läuft folgendermaßen ab: Einer der
Projektmanager
präsentiert seine Strategie, und nach zwei oder drei Folien
tut sich
was. Die vier Bereiche werden entweder ausgewählt, weil sie
Kontroversen auslösen oder weil man sich nicht einigen kann
oder weil
die Bereiche sehr interessant sind. Solche Konferenzen versuchen wir
mindestens einmal pro Woche durchzuführen.
Worum
ging es beim letzten Mal?
Video:
Unser Videoprodukt ist sehr erfolgreich. Es wächst sehr
schnell,
und deshalb bieten sich eine Menge interessanter
Möglichkeiten. Wir
können mit Filmstudios zusammenarbeiten, wir können
uns zusätzliche
Informationen von Leuten holen, die kein Filmstudio leiten, wir
können
über Werbung und über eine bessere Suche nachdenken.
Das sind alles
wichtige Fragen. Am Ende der Sitzung einigen wir uns auf einige Punkte,
und diese werden dann einen Monat später erneut
geprüft.
Es wird
also alles ausdiskutiert, anstatt dass die Führungsebene
Entscheidungen verkündet?
Das
ist
eine Konstante bei Google. Der Managementstil ist ganz einfach
zuverstehen. Ich versuche, eine Streitkultur zu fördern.
Nehmen wir an,
wir sind in einer Konferenz, und alle sind sehr höflich. Sie
haben
vielleicht ein Problem mit jemandem, Sie streiten sich, und es wird ein
Ergebnis geben. Entweder Sie einigen sich, oder sie einigen sich eben
nicht. Ab und zu muss ich eine Entscheidung treffen, aber das ist eher
selten. Es funktioniert gut.
Sie sind
also eher so etwas wie ein Schiedsrichter?
Meine
Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass wir am Ende einer
Konferenz
ein klares Ergebnis haben. Auch ich habe meine Überzeugungen.
Eine
klare Niederlage ist mir viel lieber als ein schwammiger Sieg.
Entscheidungen werden bei uns immer von mehreren getroffen. Ein
Einzelner hat nichts zu sagen. Wenn es eine wirklich wichtige
Entscheidung ist, beauftragen wir zwei Leute damit, denn dann
müssen
sie sich darüber unterhalten. Es ist einfach ein anderer Stil.
Damit
unterscheiden wir uns deutlich von europäischen und auch von
amerikanischen Unternehmen.
Haben
Sie den Erfolg von Google vorausgesehen?
Ich
habe es als letzter erkannt, ganz bestimmt nicht als erster. Ich
bin zu Google gekommen, weil ich die Leute mochte. Ich fand die
Technologie interessant und war total beeindruckt. Ich habe eine
Million Dollar investiert. Bei High-Tech-Unternehmen hängt der
Erfolg
in erster Linie von den Menschen ab, denn diese Unternehmen haben keine
lange Geschichte. Wenn man die Leute mag, dann läuft das. Wenn
man sie
nicht mag, sollte man sich dagegen entscheiden. Ich mochte Larry und
Sergey. Wie sich herausstellte, haben wir mehr gemeinsam, als es
scheint. Wir hatten sogar denselben Professor. Sie sind zwar 18 Jahre
jünger als ich, aber wir haben auch kulturell viele
Gemeinsamkeiten.
Ich hatte bereits erreicht, was ich erreichen wollte, und deshalb war
ich bereit, ihnen zu helfen. Ich kam, um zu helfen.
Haben
Page und Brin geahnt, wie groß Google werden würde?
Ich
denke, das haben sie sehr früh gesehen. Sie hatten ein
großes
Unternehmen vor Augen, vielleicht nicht ganz so groß, wie es
jetzt ist,
aber auf jeden Fall einen großen Konzern, mit dem die
Informationsmission der Welt erfüllt werden kann. Ich habe die
Stärke
der Marke und die Größe des Werbemarktes
systematisch unterschätzt.
Erst in meinem zweiten Jahr bei Google wurde mir klar, dass das alles
viel größer ist, als ich dachte.
In der
Öffentlichkeit stehen Sie etwas im Schatten der beiden
Gründer.
Es
ist
völlig in Ordnung, wenn meine Rolle unterschätzt
wird. Ich fühle
mich wohl. Ich arbeite in einem Team. Larry und Sergey haben das
Unternehmen gegründet. Sie sind wirklich brillant. Ich kam, um
zu
helfen. Das ist eine wunderbare Erfahrung. Viele Menschen, die beim
Aufbau des Unternehmens geholfen haben, haben dafür
überhaupt keine
Anerkennung bekommen. Ich kann jeden Tag mit einigen der
intelligentesten Informatiker die spannendsten Probleme lösen.
Was will
man mehr?
Ist
Google denn ein Medien- oder ein Technologie-Unternehmen?
Wir
sind ein Unternehmen für Produktinnovationen. In der Werbe-
und
Medienbranche sind wir zwar auch aktiv, aber das ist nicht die
Hauptsache. Das Unternehmen wird von drei Informatikern geleitet. Alles
ist analytisch, alles ist logisch usw. Wenn Sie uns eine nette
Marketingfrage stellen, schauen wir Sie vielleicht nur etwas
verständnislos an. Es gibt eine Menge Dinge, die wir drei
nicht
besonders gut können.
Google
finanziert sich über Werbung, also müssen Sie doch
etwas davon
verstehen
Der
Verkauf von Werbeanzeigen ist eine analytische Entscheidung. Das
Wichtigste dabei ist, die richtige Zielgruppe zu finden. Das ist das
Hauptproblem in der Werbung: Sie ist nicht zielgerichtet. Ich sehe im
Fernsehen Werbung für Damenbekleidung, obwohl ich
dafür keine
Verwendung habe. Warum? Das ist ein Fehler. Da sollte Werbung
für
Herrenbekleidung gezeigt werden. Klarer kann doch ein Argument gar
nicht sein. Der Tag wird kommen, an dem ich den Fernseher anstelle und
Werbung für Männerkleidung sehe. Hundebesitzer werden
Reklame für
Hundefutter bekommen, Katzenfreunde welche für Katzenfutter.
Klingt
doch logisch, oder?
Bedeutet
Googles Erfolg das das Ende der klassischen Werbung?
Das
heißt nicht, dass es künftig keine Markenwerbung
oder keine
Fernsehwerbung mehr geben wird, aber in jeder Kategorie sollte es
möglich sein, die Werbung besser auf die Zielgruppe
auszurichten. Genau
das ist unser Geschäft.
Wie
groß kann Google noch werden?
Es
gibt
zwar eine Grenze des Wachstums, aber ich sehe sie noch nicht.
Die UMTS-Entwicklung in Europa wird unglaublich sein. Das ist das
Beste, das Google seit Jahren passiert ist. Was werden die Nutzer als
erstes tun? Sie werden etwas in Google suchen.
Quelle:
stern -
Interview: Michael Streck & Dirk Liedtke
Fortsetzung
folgt...
Im
zweiten Teil
des Interviews spricht Google-Chef Schmidt über die
Firmenphilosophie, Weltverbesserungspläne - und den Kampf
gegen
Microsoft.
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